Ein bisschen Frieden mitten in Schlagenthin

Ein Platz, an dem alte Tiere ein Zuhause finden. Ein Ort, an dem Pferde grasen, die niemand wollte. Ein Fleckchen Erde für Hühner mit gebrochenen Beinen. Was sich anhört wie eine Immenhof-Beschreibung, gibt es in Schlagenthin wirklich. Auf dem Gnadenhof der Koervers.
Kaltblutstute Tara wirft durch das Fenster einen Blick in den Unterstand auf ihrer Koppel in Schlagenthin. Das Holz wirkt gemütlich, das frische Stroh verstärkt diesen Eindruck. Tara entscheidet sich trotzdem gegen den Stall. Das Wetter ist einfach zu schön, um den Tag drinnen zu verbringen. Mit der Schimmelstute Luna liefert sie sich stattdessen ein Wettrennen über die große Koppel. Tara liegt vorn, das Kraftpaket läuft langsam aus und trabt zur Selbsttränke. Luna fordert eine Revanche, doch Tara widmet sich lieber dem Gras. Ab und an scheint sie nachdenklich aufzuschauen und ihre Umgebung zu mustern.

„Pferdemarkt in Polen. Das ist eine ganz finstere Welt.“
Es hätte auch anders kommen können. Vor drei Jahren stand Tara bei minus 35 Grad auf einem polnischen Pferdemarkt. Von glänzendem Fell und perfekter Bemuskelung, was die Stute heute zu einem Hingucker macht, war damals nichts zu sehen. Den Winter hatte Tara in einem finsteren Kabuff verbracht. Wenig Futter, kein Licht, keine Bewegung. Verwachsene Hufe ließen jeden Schritt zur Qual werden. Auf frische Luft reagierte sie verstört. Tara war kraftlos, ausgemergelt und kaputt. Einen Käufer fand sie auf dem Markt so nicht. Ein Schicksal als Arbeitspferd blieb ihr erspart. Kein Grund zur Freude in Polen. Die Pferde, die übrig bleiben, werden als Schlachtpferde nach Süditalien exportiert.

Tara prustet aufgeregt durch die Nüstern, ein Jeep nähert sich der Koppel in Schlagenthin. Drinnen sitzt Barbara Koerver, die auf der Koppel nach dem Rechten sehen will. Den acht Großpferden, die hier grasen, geht es gut. „Fast alle sind aus Polen“, erzählt Koerver.
Einmal im Jahr fährt sie dorthin. „Das ist eine ganz finstere Welt“, sagt sie, während sie Tara eine Möhre gibt. Bei den Schlachtpferden zählt nur das Gewicht. Es kommt vor, dass die Stuten vor dem Transport gedeckt werden, weil sie mit einem Fohlen im Bauch schwerer sind. Eine weitere Taktik dieses Ziel zu erreichen: Die Pferde werden mit Wasser aufgepumpt.
In Polen hat Koerver den Hufschmied Bogdan kennengelernt. Beide engagieren sich in der Tierschutzorganisation AWF. Bogdan hat auch Tara vor dem Schlachttransport gerettet. „Ich kann nicht die Welt ändern“, sagt Barbara Koerver. „Aber den Tieren, für die ich hier Platz habe, kann ich ein Zuhause geben.“ Tara hatte Glück, für sie war Platz in Schlagenthin.

Ponys, Pferde, Esel und andere Vierbeiner finden auf dem Schlagenthiner Pferdehof ein Zuhause. Einige von ihnen kommen vom Markt in Polen, andere sind ganz aus der Nähe, weil ihre Besitzer es nicht mehr schaffen, sich um sie zu kümmern. | Foto: Kristin Schulze

Nach oben scrollen